Kinderreime

Ihr kennt das: euer Kind ist im Kindergarten und bringt jeden Tag etwas Neues mit nach Hause. Mal eine Zeichnung, mal Blätter oder Steine und immer wieder neue Wörter – oder in unserem Fall Kinderreime. Und genau diese Reime – speziell die älteren davon – sind nicht immer 100% kinderfreundlich und ich frage mich in dem Fall, woher kommen die denn? Also habe ich mich ganz tief in die Archive begeben und ein paar Kinderreime ausgegraben, die zurecht den Beinamen „die dunkle Seite“ verdienen. Und dabei rede ich nicht von irgendwelchen Eins – zwei – drei – Reimen oder von Ene mene muh Müllers Kuh.

Habt ihr gewusst, dass man in Österreich Auszählreim, während man sie in Deutschland Abzählreime nennt? Ich nicht…

Die arme Mickey Maus

Auslöser für diesen Artikel war folgender Kinderreim, den Little S uns auftischte.

Eine kleine Mickey Maus
zieht sich die Hose aus,
zieht sie wieder an
und du bist dran.


Bis hierher kennen vermutlich alle diesen Eine kleine Mickeymaus Reim. Aber die Version 2021 geht ein bisschen anders:

Eine kleine Mickey Maus
zieht sich die Hose aus,
zieht sie wieder an

und du bist dran.
Rathaus brennt,
Mickey rennt,
Ampel rot,
Mickey tot.


Was uns die aktuelle Version zeigen will, ist einfach eine Ablehnung gegen den neuen Streaming Dienst von Disney. Mickey Maus ist einfach für die heutigen Kinder zu alt und „tot“.
Nicht falsch verstehen, ich finde die Inbrunst, mit der Little S diesen oder auch andere Kinderreime vorträgt, lustig, aber beim ersten Mal, als ich ihn hörte, verschluckte ich mich am Kaffee. Genau genommen hat dieser Reim ja einen verkehrserzieherischen Charakter. Er macht darauf aufmerksam, dass eine rote Ampel einfach gefährlich ist.

Aber irgendwie hat dieser Reim bei mir Interesse geweckt und ich habe mich auf alte Kinderreime gestürzt und ein paar festgehalten, die mich teilweise sehr sprachlos machten.

Mickey ©Evan Fitzer / Unsplash

Kinderreime mit Bier und Wein

Ein sehr beliebtes Thema in Kinderreimen dürfte in vergangenen Zeiten Bier und Wein gewesen sein. Vermutlich, weil es Dreh und Trink bzw. Hohes C noch nicht gegeben hat.

1, 2, 3, 4
hier hast du ein Glas Bier
1, 2, 3
hier hast du ein Glas Wein.


Kritik Nummer 1: Drei und Wein reimt sich nicht. Kritik Nummer 2: was ist das für ein Auszählreim, wenn niemand ausgezählt wird?
Der Reim stammt angeblich aus dem Jahr 1891. Wenn man diesen ins Jahr 2021 übersetzen würde, müsste er ungefähr so lauten:

1, 2, 3, 4
Grünen Smoothie gönn ich dir
5, 6, 7, 8
mit Chiasamen wird der gemacht
9, 10
wehe, du lässt ihn steh´n!



Der nächste Reim mit Bier geht so:

1, 2, 3, 4
Knecht hol Bier!
Herr trink aus!
Und du bist raus!


Der ist mittlerweile auch überholt – dieser stammt aus 1905. Wenn man Wikipedia glaubt, dann gibt es in Deutschland bis in die 60er Jahre Knechte. Beim Wort Knecht fällt mir übrigens immer folgender Auszug aus einem Gedicht von Bert Brecht ein:

In Erwägung unsrer Schwäche machtet
Ihr Gesetze, die uns knechten soll’n
Die Gesetze seien künftig nicht beachtet
In Erwägung, daß wir nicht mehr Knecht sein woll’n


Das Gedicht stammt aus dem Jahr 1934 und heißt „Die Resolution der Kommunarden“ – also ebenfalls überholt, aber meiner Meinung nach sympathischer, als das oben erwähnte. Auch, wenn es kein Kinderreim ist, kann man es hier schon mal erwähnen.

Bier und Wein © Rick Barrett / Unsplash

Kinderreime über Gewalt und Tod

Bei Bier und Wein kann man ja vielleicht noch darüber schmunzeln, aber jetzt kommen Kinderreime, die ich hoffentlich niemals in meinem Umfeld zu hören bekomme.

Den ersten hier (der harmlosere von beiden) habe ich auf der Seite der OÖ Familienkarte gefunden – das ist wohl hier eher der Fakt, der mich etwas stutzig macht.

Eine kleine Spitzmaus lief ums Rathaus,
wollte sich was kaufen, hatte sich verlaufen,
kam die Mutter mit dem Stock,
haut‘ sie auf den Unterrock.
Unterrock war lose,
haut‘ sie auf die Hose. Hose war kaputt
und du bist furt.

Die Mutter mit dem Stock finde ich schon heftig und oldschool und man kann auch behaupten, dass der Reim grottenschlecht ist!

Aber es geht leider noch schlimmer. Weil ich habe ein Gedicht gefunden, bei dem mir nur mehr das Wort „krass“ einfällt. Sowas wurde wirklich mal verwendet oder als Auszählvers eingesetzt? Ich hätte versucht herauszufinden, aus welcher Zeit dieser Kinderreim stammt. Aber ich habe leider dazu nichts gefunden. Wenn jemand von euch nähere Informationen zu diesem Reim hat, würde es mich sehr interessieren.

16 Kinder hab ich,
6 will ich verkaufen,
5 will ich nach Holland schicken,
4 will ich ersaufen,
und das eine, das noch bleibt
macht mir soviel Kummer,
steck ich in den Kleiderschrank,
lass es dort verhungern.

Rassistische Kinderreime

Eine Kategorie gibt es noch und zwar die der rassistischen Kinderreime. Bei meiner Recherche für den Artikel entdeckte ich eine Seite, die voller „alter“ Kinderreime war und da gab es auch den einen oder anderen Reim, welcher bei mir ganz ganz viel Aggression auslöste.

Ich werde keinen dieser Kinderreime hier veröffentlichen, weil mir das komplett widerstrebt. Ich bin allerdings in der Recherche draufgekommen, dass Menschen in meinem Alter diese Reime auch kennen – also Kinder der 80er…

Wenn ihr also das nächste Mal auf Facebook oder Co. einen Beitrag lest, der im Inhalt hat „Wir Kinder der 80er sind so super, wir trugen keinen Helm beim Radfahren“, dann könnt ihr getrost darauf antworten: „Alles klar, dann verstehe ich, warum ihr damals so dumme, rassistische Kinderreime hattet“.




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2 Responses

  1. Ich bin auf diesen Post gestoßen, weil ich den Reim mit den 16 Kindern im Internet gesucht habe, er ist ein Teil von seltsamen Abzählreimen, die ich aus meiner Kindheit (Jahrgang 63) kenne und von dem ich wissen wollte, ob er (nicht nur seltsam, sondern grausam) auch anderswo bekannt und verbreitet war – tatsächlich also ja. Sehr erschreckend.

  2. Ich denke, das weist auf die Zeit 1945-1948 hin, wo es eine holländische Hilfsaktion gab, um Kinder die unterversorgt waren aufzunehmen. Insgesamt wohl 60 Tausend.
    Nachträglich Danke liebe Holländer.

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